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Mittwoch, 13. Juli 2011

Italien im Fokus der Finanzmärkte: Eine Presseschau

Datei:1 euro coin It serie 1.pngMit dem Kurssturz italienischer Staatsanleihen seit Freitag ist auch Italien zumindest zeitweise in den Fokus der wegen der Euro-Krise nervösen Finanzmärkte geraten. Die Zinsen, die der italienische Staat bei der Ausgabe neuer Anleihen zu zahlen hat stiegen ebenso wie die Preise für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) ("Investoren zwingen Italien Rekorszinsen auf", "Investoren fürchten italienischen Schulden-GAU"). Für die Euro-Zone wäre eine Pleite Italiens aufgrund der Größe der italienischen Volkswirtschaft katastrohal. Entsprechend aufgeregt wurde in den Medien diskutiert. Hier eine kleine Presseschau:


Mit der Psychologie der Finanzmärkte beschäftigt sich bei Spiegel Online Stefan Kaiser in seinem Beitrag "Finanzmärkte im Herdentrieb". Er unterscheidet zwei Gruppen von Investoren: Anleger, die italienische Staatsanleihen besitzen und diese aus Angst vor einer möglichen Pleite verkaufen wollen, und Anleger, die meist keine Staatsanleihen besitzen und durch Leerverkäufe und Credit Default Swaps vom Kurssturz profitieren wollen.

Die Gründe für die Zuspitzung der Krise untersuchen in der Financial Times Deutschland ("Die Gründe für die italienische Krankheit") Kai Beller und Barbara Schäder. Darunter: "Politische Agonie", ein "Schuldenberg", und die "lahmende Konjunktur".

In der Süddeutschen kritisiert Ulrike Sauer unter dem Titel "Heiße Tage in Rom" das Krisenmanagement der italiensichen Regierung: "Die Zuspitzung der Euro-Krise schärfte in Rom nicht im geringsten das Bewusstsein für die Bedrohung."

Michael Braun vermutet in seinem Artikel "Berlusconis letztes Gefecht" bei Spiegel Online, dass Ministerpräsident Silvio Berlusconi sich nicht mehr lange im Amt halten dürfte, wenn Italien weiter von den Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten durchgeschüttelt werde. Überhaupt sei die Politik das Hauptproblem: Weniger wegen der Höhe der italiensichen Staatsschulden, und mehr, weil es die Politik nicht schaffe, für Wachstum zu sorgen: "Eine Politik, die schlingert und laviert, ein Land, das strukturelle Wachstumsprobleme hat: seit Jahren schon stagniert Italien, auch nach der Krise liegen die Zuwächse des Bruttoinlandsprodukts bei einem schmalen Prozent jährlich."

Im Interview meint Hans-Peter Burghof, Äußerungen von Silvio Berlusconi, der sich nicht voll hinter das Sparprogramm seines Finanzministers Giulio Tremonti stellte, hätten zur Verschärfung der Krise beigetragen.

Ähnliche Ansichten, das nämlich die "politische Schwäche" in Italien zum Problem werde, hat Andre Tauber in der Welt ("Vergiftete Politik ist Italiens größtes Krisen-Risiko") aus der Ratingagentur Moody's gehört.

Auch Regina Krieger berichtet im Handelsblatt ("Italiens Regierung kann interene Risse kaum verbergen") über die inneren Konflikte in der italienischen Regierung, vor allem zwischen Berlusconi und Tremonti und zitiert aus der italienischen Presse.

Massimo Franco geht im Corriere della Sera ("Una fiaccola nel buio") hart mit Berlusconi und dessen langem Schweigen im Angesicht der sich aufbauenden Krise ins Gericht: "Il risultato è stato quello di mostrare un governo incapace di «leggere» la sfida aggressiva dei mercati e le sue distorsioni destabilizzanti; e una classe politica costretta, per assenza di strategia, a subire l'iniziativa altrui."

Ähnlich kritisch, wenn auch mit optimistischen Schluss, analysiert Marcello Sorgi in der Stampa die Situation ("La paura che ha smosso il Cavalliere"): Berlusconi, so hofft Sorgi, habe aus den Turbulenzen am Wochenende gelernt und werde in Zukunft schneller reagieren.

Die widersprüchlichen Äußerungen aus den Reihen europäischer Spitzenpolitiker kritisiert derweil Christoph B. Schiltz in der Welt ("Europas Angst vor dem großen Euro-Knall").

Stephen Castle und Jack Ewing berichten in der New York Times ("In Europe, an Outline of Options") über die politischen Handlungsmöglichkeiten, die jetzt auf dem Tisch liegen.

"Vier Szenarien für die Zukunft des Euro" entwickelt Tobias Kaiser in der Welt: "Chaos - wie bisher", "Der Rettungsschirm wird verdoppelt", "Griechenland schuldet um" und "Die Euro-Zone bricht auseinander".

In seinem Beitrag "Sein oder Nicht-Sein? Das ist jetzt die Euro-Frage!" kritisiert Henrik Müller bei Spiegel Online: "Fallweise werden die gerade auftretenden Probleme bearbeitet, ohne dass dahinter eine größere, umfassendere Idee sichtbar würde." Er meint: "Diese Problemlawine hat nichts mit Ökonomie zu tun, sondern vor allem mit dem schwachen politischen Zusammenhalt und dem mangelnden Wir-Gefühl in Europa." Als Alternative zum Scheitern der Euros sieht er nur einen "New Deal": Eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden und etwas Umverteilung innerhalb der Euro-Zone, zum Beispiel durch eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung. Zudem plädiert er für die Stärkung der EU-Institutionen, anstatt ständige neue Institutionen wie den ESM zu schaffen.

In der Stampa ("Le mosse non più rinviabili") fordert Franco Bruni (Universität Bocconi in Mailand), erstens das italienische Sparpaket in Teilen vorzuziehen, zweitens realistische Zielvorgaben aus Brüssel und drittens insgesamt eine stärkere Identitifkation mit Europa: Mehr Integration in Wirtschafts-, Währungs-, Finanz- und Politikfragen.

Nicht alle Marktteilnehmer sind indes von einer drohenden Pleite Italiens überzeugt. Pimco, der weltgrößte Anleihenhändler nutzte die sinkenden Kurse für Käufe ("Top-Investor Pimco deckt sich mit italienischen Anleihen ein").

Und Carsten Volkery berichtet im Spiegel ("Italien wappnet sich gegen das Griechen-Virus"), warum Italien trotz aller Probleme mit den anderen Euro-Krisenstaaten nicht zu vergleichen sei: Die Wirtschaft sei groß und diversifiziert, die Sparquote sei hoch und der Anleihemarkt groß und liquide.

Dienstag, 12. Juli 2011

Wie weiter mit der griechischen Schuldenkrise?

Um eine weitere Eskalation der griechischen Schuldenkrise zu verhindern, schnürt die griechische Regierung ein Sparpaket nach dem nächsten und bereitet die Privatisierung zahlreicher Staatsbetriebe vor, während europäische Regierungen und der Internationale Währungsfonds (IWF) neue Milliardenkredite beschließen. Doch bislang zeigen die Maßnahmen keine nachhaltige Wirkung. Der ehemalige amerikanische Botschafter in Griechenland, Daniel V. Speckhard, schlägt nun in einem Paper des amerikanischen Think Tanks Brookings Institution ("Greece: Time for Some New Ideas") einen neuen Ansatz vor.

Anstatt die europäischen Milliarden direkt an die griechische Staatskasse zu überweisen, sollte das Geld lieber in die zu privatisierenden griechischen Staatsbetriebe investiert werden: Europa würde damit zum neuen Eigentümer dieser Unternehmen. Dies würde für die griechische Staatskasse unmittelbare Einkünfte bedeuten (und keine neuen Kredite), während zugleich die Gefahr sinken würde, durch übereilte Privatisierungen Staatsbetriebe unter Wert zu verkaufen. Außerdem könnten derartige Investitionen in Nordeuropa leichter durchsetzbar sein. Doch damit würde die griechische Gesamtschuld noch nicht sinken, sondern nur neue Kredite verhindert. Um die Gesamtschuld zu senken, schlägt Speckhard vorsichtig gemanagte Rückkaufprogramme griechischer Staatsanleihen vor. Die Staatsanleihen werden momentan deutlich unter dem Nennwert gehandelt. Für diese Rückkaufprogramme könnten die Kreditlinien der EU und des IWF genutzt werden. Speckhard gibt zu, dass auch nach diesen Programmen wahrscheinlich eine "sanfte Umschuldung" nötig sein werde, doch werde für den Augenblick vor allem ein Programm gebraucht, dass sowohl in Griechenland wie auch in Rest-Europa bei den Wählern auf Zustimmung stoße. Ansonsten drohe in Griechenland eine unkontrollierte Staatspleite und damit einhergehende soziale Spannungen.

Inwiefern der Vorschlag umsetzbar ist, bleibt schwer abschätzbar. Schwierig könnte es insbesondere sein, einen fairen Wert der Staatsunternehmen zu ermitteln. Aber neue Ideen sind in der gegenwärtigen verfahrenen Lage wohl mehr als nötig.